[Review] Grüße aus Fukushima
23. April 2016Seit dem 10. März 2016 läuft der Film Grüße aus Fukushima in ausgewählten deutschen Kinos. Ich hatte nicht nur das Glück, dass der Film in einem Kino in nächste Nähe lief – nein, ich könnte sogar zwei Freikarten vom Diogenes-Verlag ergattern. So habe ich den Film am 20. März angesehen und möchte euch nun meine Eindrücke dazu schildern.
„Ich möchte euch ein paar Dinge fragen, die mich beschäftigen: Oft gerate ich in Panik, wenn ich daran denke, welche Richtung mein Leben nimmt. Bin ich mit dem richtigen Menschen zusammen? Habe ich die richtige Arbeit? Sehe ich richtig aus? Verdiene ich genug Geld? Mache ich genug aus meinem Leben? Bin ich glücklich? Sollte ich anders leben? Und immer und immer so weiter. Eine endlose Flut von Fragen, die mich überrollt und mich ängstigt. Ich kann nicht anders, als mi ständig Sorgen zu machen. Was wäre wenn? Was wäre, wenn ich alles verliere, was mir lieb ist? Wie tief kann ich fallen? Wie fange ich von vorne an? Und wie kann ich mich daran erinnern, dass dies mein Leben ist, mein einziges? Wie?“
Mit diesem Monolog an Fragen, die sich viele wahrscheinlich schon selbst gestellt haben, wird man in den Film geworfen und steht dann plötzlich in Tokyo. In schwarz-weiß. Denn unsere Reise führt uns nicht in das bunte schrille Tokyo, dass wir kennen. Es geht in die Präfektur Fukushima. Die Region nahe der Evakuierungszone nach dem verheerenden Tohoku-Erdbeben am 11. März 2011. Dorthin, wo die Menschen noch heute – fünf Jahre nach der Nuklearkatastrophe – in Notunterkünften leben.
Unsere Protagonistin Marie, gespielt von Rosalie Thomass, flieht vor ihren zerplatzen Träumen aus Deutschland und will in Japan die Organisation Clowns4Help unterstützen, die in den Notunterkünften den vorwiegend älteren Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern will. Doch bald merkt Marie, dass sie für die Arbeit als Clown nicht geboren ist und will auch dieses Projekt wieder abbrechen. Laut schreit sie aus, dass sie nur hier sei, um Leute zu sehen, denen es noch schlechter geht als ihr. Das saß – vor allem bei mir. Und ich werde diese Aussage wohl noch eine ganze Zeit im Kopf haben.
Doch bevor Marie endgültig zurück nach Hause fährt, trifft sie einen Entschluss. Sie möchte der störrischen Satomi helfen, die sie bereits zu den Ruinen ihres alten Zuhauses gebracht hatte. Gemeinsam beginnen sie das alte japanische Haus innerhalb der Sperrzone wieder etwas wohnlich einzurichten. Was würdest du tun, wenn du alles verloren hast? Und durch diese gemeinsame Zeit lernen sich die beiden doch sehr unterschiedlichen Frauen besser kennen und verstehen. Satomi ist die letzte Geisha der Region, mit einer aufregenden Vergangenheit im Unterhaltungsleben. Marie trampelt als Elefant in alle möglichen Fettnäpfchen der traditionellen japanischen Kunst, beginnt dann aber doch diese wertzuschätzen. Finde die Ruhe in eine Tasse Tee.
Doch Satomi hat auch ein dunkles Geheimnis, weshalb die beiden Frauen in der Nacht von Geistern heimgesucht werden. Beide tragen auf ihre Weise Schuldgefühle mit sich, die sie loslassen müssen. Doch das ist nicht immer einfach, wie in der Geschichte gezeigt wird. Trägt man nicht immer einen Teil seiner Vergangenheit mit sich? Ob und wie die beiden Frauen versuchen es schaffen, erfahrt ihr im Film.
Was mir an dem Film besonders gefallen hat
Es gibt einige Sachen, die für mich diesen Film sehr besonders machen. Zu einem die beeindruckenden Bilder und Eindrücke, die man von der Region bekommt. Die Kameraführung ist richtig toll. Und vor allem, dass der Film in schwarz-weiß gehalten ist, gibt dem Ganzen einen besonderen Touch. Eines der Bilder, das mir im Kopf geblieben ist, sind die Berge an Säcken mit abgetragener radioaktiver Erde, die am Meer aufgestapelt werden. Und dazu natürlich die Frage, wie es wohl dort weitergehen wird.
Ein weiterer Punkt auf meiner Besonderheitenliste ist die Sprache. Der Film soll die Realität zeigen und somit wird auch in den Sprachen gespielt, die auch im normalen Leben gesprochen werden. So sprechen die Japaner unter sich Japanisch. Mit dem Clowns Mosche und Nami kann Marie Deutsch sprechen. Mit sich selbst tut sie das natürlich auch. Und aufgrund ihrer Zeit als Geisha spricht Satomi Englisch. Alles mit den typischen Akzenten, die man von Ausländern, die fremde Sprachen sprechen kennt.
Mein Fazit
Ein bewegender Film über eine interessante Thematik. Obwohl ich nah am Wasser gebaut bin und das Thema der Dreifachkatastrophe vom März 2011 mir fast immer Tränen in die Augen treibt, musste ich überraschender Weise im Kino nicht weinen. Es sind immer wieder lustige Momente eingebaut, die einen zum Lachen bringen. Aber auch zum Überlegen. Nur endete er für mich auf einmal ziemlich rasch.
Für Interessenten auf jeden Fall ein Film zum Ansehen – denn Regisseurin Doris Dörrie hat auch schon bei anderen Filmen („Erleuchtung garantier“, „Kirschblüten – Hanami“) gezeigt, dass ihr das Thema Japan nicht fremd ist. Und nicht umsonst ist der Film derzeit für zahlreiche Filmpreise nominiert. Wenn ihr also die Chance habt, schaut ihn euch im Kino an. Ansonsten wird auch bestimmt bald eine DVD dazu erscheinen.
Mehr zum Thema?
Offizielle Webseite zum Film | Kino-Finder
Trailer zum Film | Making of zum Film
Reihe “Mein Fukushima” von Nippon Insider
Sehr schönes Review. Danke.
Ja, der Film hat einen gleich gepackt. Das habe ich auch do empfunden.
Das mit der Sprache ist optimal gelöst, wie ich finde. Alles andere wäre unauthentisch gewesen.
Vielen Dank für die Erwähnung meiner Fukushima-Reihe.
Sonnige Grüße aus Berlin.
Daniela